Im ewigen Jetzt unterwegs
Wo bin ich immer nachts, daß ich morgens so tiefgreifend desorientiert bin? Dies gehört mit zum Bewußtseinsspiel – vielleicht habe ich in der Zeit, in der mein Körper schläft, ganze andere Leben durchlebt. Auch von all meinen anderen Inkarnationen bringe ich Informationen und Eindrücke. Und wenn ich hier aufwache, erinnere ich mit wieder an dieses Leben. Das ist es im wesentlichen, eine Erinnerung. Vielleicht ist es dies insgesamt und wir erschaffen nicht wirklich etwas, sondern erinnern nur jeweils all die Momente, die bereits „gewesen waren“ im Ewigen Jetzt. Doch dann würde sich das Ewige Jetzt nicht weiterentwickeln, wäre ein Starres.
Der allergrößte Teil hängt mit unserer Vorstellungskraft zusammen, welche Vorstellungen und Ideen aus meinen aktuellen Zusammenhängen erwachsen. Und in dem Augenblick, in dem eine Vorstellung „gedacht“ wird, besteht sie bereits im Ewigen Jetzt, als wäre sie immer schon dort gewesen. Dann können wir uns erinnern an all diese Bilder, die wir doch selbst erschaffen haben, dann haben wir ein Déjà-vu: Wir erinnern uns an ein Bild aus unserer Vorstellung.
Das „Körperhopping“ – jetzt mal wahrnehmungstechnisch betrachtet – wäre dann genau ein Ausdruck hiervon: Ich wache morgens auf und erinnere mich, an welcher Stelle dieser Geschichte ich „ausgestiegen“ bin, grad so als hätte ich vor meinem Schlaf ein Lesezeichen hinterlassen, einen Marker. Und dann kehre ich morgens zurück oder vielmehr erinnere ich mich in meinem natürlichen Multi-D-Traumerleben an dieses Leben und diesen Körper, den mein Bewußtsein hier unterhält, und dann wache ich auf.
Sogut wie jeden Morgen ist es dieses panische Ringen um Zeit und Ort – vor allem die Zeit: Welcher Tag ist heute? Welcher Monat? Und manchmal: In welchem Jahrhundert? Ort geht schneller, weil ich meine Umgebung sehen kann. Trotzdem beschleicht mich bisweilen ein eigenartiges Gefühl der Fremdartigkeit, wenn es darum geht, wieder hier „anzukommen“. Vor allem, wenn es darum geht, den genauen Tag zu bestimmen, rotiere ich am meisten; es ist immer ein Augenblick der Panik, mich an die konkreten Zusammenhänge und „Pflichten“ wieder zu entsinnen. Denn das ist es, woran ich mich primär erinnere in diesem Moment: Welcher ist der nächste „Termin“, die nächste Verpflichtung? Oder habe ich es schon verpaßt? All die Dinge des täglichen Lebens sind Marker, an die ich mich erinnere, wenn ich mich wieder in dieses Leben und seine Zusammenhänge hineinfokussiere.
In diesem kurzen Strudel der Desorientiertheit könnte es – wäre ich bewußter in diesem Augenblick – gelingen, daß ich mich in einen anderen „Erinnerungspunkt“ dieses aktuellen Lebens einklinke. Möglicherweise tu′ ich dies auch manchmal. Oder andauernd? Denn sobald ich mich „eingeklinkt“ habe, ist der Fokus ausschließlich! Ich würde es daher nicht einmal bemerken, wenn ich an einem anderen Punkt dieses Lebens aufwachen würde. Denn unsere Leben sind nur scheinbar kontinuierlich, unsere lineare Zeit eine Illusion, denn jeder Augenblick steht für sich und beinhaltet dennoch die gesamte Geschichte. Von daher könnte man sagen: Ich wähle an diesem „Panikpunkt“ jeweils eine ganz bestimmte Geschichte mit ganz bestimmten Aufgaben.
Was man eigentlich wählt oder woran man sich vielleicht auf einer tieferen Bewußtseinsschicht erinnert, wenn man sein Bewußtsein wieder auf spezifische Leben und Gegebenheiten lenkt, ist möglicherweise allgemein der größere Lebenszusammenhang, den man sich ausgesucht hat: die „Aufgabe“ – bestimmte Fragen, die man mit einer Inkarnation durch das jeweilige Erleben erkunden möchte. Und indem ich mich an diese Aufgabe erinnere, zieht mich diese in das jeweilige Leben.
Nach wie vor ist es bestaunenswert, mit welcher Ausschließlichkeit wir uns jeweils auf ein bestimmtes Leben und bestimmte Zusammenhänge fokussieren können. Unsere Erinnerungsfetzen kristallisieren sich vor unseren Augen zu einer uns vertrauten physischen Welt. Das ist eine enorme Leistung, wenn man bedenkt, daß es keine Kontinuität gibt. Wir sind derart tief in unsere Lebenszusammenhänge fokussiert, daß wir einerseits die winzigsten Veränderungen betrachten können, doch zeitgleich nicht bemerken, daß jeder Augenblick Abermillionen solcher winzhaften Veränderungen beinhaltet. Nur diese Form der Ignoranz bewirkt unser Empfinden von Kontinuität.
Aufgrund all dieser Zusammenhänge können Abraham1 sagen: Wir wachen im selben psychischen Zustand morgens auf, in dem wir abends schlafen gegangen sind. Denn während wir schlafen, fokussieren wir unser Bewußtsein anderswo, sind nicht anwesend in unserem Alltagsfokus. Doch „Wer oder was behütet unseren Schlaf?“, könnte man sich fragen. Ich würde sagen, es ist das Ego: jener Teil unseres komplexen Bewußtseins, der primär dafür verantwortlich ist, daß dieser Körper am Leben bleibt, denn das Ego ist eng an unseren Körper gebunden. Das Ego weiß nichts von all dem „mystischen“ Kram, es ist vollkommen pragmatisch mit dieser Aufgabe in unseren Körper integriert. Da aber unser persönliches Bewußtsein den primären Fokus all unserer verschiedenen Leben und Lebenszusammenhänge stellt, und sich hineinfokussiert in einen bestimmten Körper oder Zusammenhang, steht der Körper zeitgleich mit verschiedenen Aspekten des Bewußtseins in Verbindung. So gesehen bildet das Ego gleichfalls einen Aspekt des Bewußtseins. Dies kann ja auch garnicht anders sein, denn alles existiert im Bewußtsein und gehört zu den zahlreichen Möglichkeiten des Ausdrucks.
Wären wir zu lange fort mit unserem Primärfokus auf ein bestimmtes Leben, so geriete der Körper in Gefahr, dann fallen wir vielleicht in eine Art Koma. Das ist interessant, denn vielleicht ist ein Koma vergleichbar mit meinem „Panikpunkt“ morgens: würde ich in diesem Augenblick eine andere Entscheidung treffen, wo ich „aufwache“, so könnte eine Lebenslinie an diesem Punkt zu Ende gehen, denn mein Bewußtsein würde an dieser Stelle den Fokus auf dieses Leben „aufgeben“. Und genau das passiert, wenn jemand aus einem Koma nicht mehr aufwacht. Es ist immer eine Entscheidung – eine Entscheidung, die im Bewußtsein getroffen wird, nicht im Körper. Körper und Ego und unsere jeweiligen Lebenszusammenhänge sind nur „Erinnerungspunkte“. Täglich bzw. in jedem Augenblick entscheide ich mich quasi erneut dafür, einen Lebensstrang fortzusetzen oder eben auch nicht. Ich denke zum Beispiel an meinen Freund T., der einfach aus seinem üblichen Mittagsschläfchen nicht mehr zurückgekehrt ist. So leicht und einfach ist es: Das Bewußtsein entscheidet sich für andere Szenarien, Ausdrucksformen und Zusammenhänge.
Wie wunderbar es sein muß, im vollen Tages-Bewußtsein derlei Entscheidungen zu treffen und auf diese Weise seine Geschicke zu lenken. Dies ist, was sehr hochentwickelte Schamanen können. Sie benötigen keinen Schlaf, sind immer geistig wach und fokussiert, wissen um ihre jeweiligen Zusammenhänge. Das ist der Grund, weshalb Don Juan2 oder Sabazius3 sagen können: Sollte mich etwas bedrohen, so bin ich mit dem nächsten Wimpernschlag bereits anderswo. Denn was diese Menschen gelernt haben ist, ihr persönliches Bewußtsein mit dem Tagesbewußtsein zu verbinden und können ihren Fokus absichtsvoll verändern. Daher unterziehen sie sich all diesen Übungen und machen sich vertraut mit weiteren Bereichen der Bewußtseinsfokussierung. Das „spirituelle Reisen“4 ist der wesentliche Ausgangspunkt hierfür. So haben sie zum Beispiel auch trainiert, sich mit Leichtigkeit an einen bestimmten Ort ihrer Wahl zu fokussieren. Sie müssen nicht mehr nachdenken über Prozesse oder Schritte, die sie hierfür unternehmen müßten: Sie sind direkt verbunden mit dem inneren Willen, worüber sie diesen Fokus steuern.
Dasselbe gelang auch einer Frau,5 die zu Castanedas Gruppe gehörte: Sie transzendierte sich komplett ins Nichtphysische mit der Gruppe von Don Juan; doch einige Jahre später fokussierte sich wieder auf das „vormalige“ 3D-Leben und tauchte unversehens wieder auf. Sie „erinnerte“ sich daran, könnte man sagen. Und durch dieses Erinnern sowie ihren entschlossenen Fokus war sie in der Lage, sich wieder körperlich und zeitlich in diese Timeline einzuklinken. Sehr faszinierend und eine ungeheuerliche Erreichung.
Ach wären wir doch nicht so schwerfällig und geistig beweglicher! Wir kleben zu sehr an der Vorstellung, das Körperliche und die Körper würden das Leben bestimmen, dabei ist dies nur eine äußerst konzentrierte Form, unser Bewußtsein zu fokussieren.
(Spax 23.5.15)
Fußnoten
- Abraham ist eine von Esther Hicks gechannelte nichtphysische Entität.
- Spiritueller Lehrer von Castaneda. (siehe auch Inspiration: Bücher)
- Spiritueller Lehrer aus: Douglas Lockhart, Wer den Wind reitet.
- Siehe auch Lexikon: luzides Träumen.
- In diesem Fall: eine Nagualfrau. (siehe Lexikon: Nagual)
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