glücklich oder heilig oder still
Auch die Stille hat verschiedene „Schichten“. Eine der ersten auf die man trifft ist jene „abgehobene“ Glückseligkeit; „abgehoben“ deshalb, weil man sich so leicht fühlt, als würde man schweben. Alles verliert an „Substanz“, dieser Schwere, die alles so ernst aussehen läßt. Und dehnt sich die Stille innerlich noch weiter aus, stößt man auf das Empfinden der „Heiligkeit“: daß alles kostbar ist, lebendig und einzigartig. Diese beiden Stadien der Stille sind jene, in denen die meisten „hängenbleiben“. Daran ist nichts verkehrt oder falsch. Hier findet man all die Propheten, Märtyrer, Heiligen; denn fällt man aus dem erfüllten Zustand wieder zurück ins Alltagsbewußtsein, so bleibt lediglich die Erinnerung an jene Heiligkeit.
Das sind Zustände (Glückseligkeit und Heiligkeit), von denen die schamanischen Lehrer sagen: Verschwende nicht deine Energie. Weshalb ist dies eine „Energieverschwendung“? Weil man durch die Glückseligkeit und das Heiligkeitsempfinden nicht mehr verbunden ist mit der Alltagsrealität. Man hat hier eine „Gottesschau“, indem man für kurze Zeit mit Allem-was-Ist verbunden ist und damit dem Alltäglichen für eine kurze Weile enthoben. Schwelgt man einfach weiter in diesen Gefühlen, setzt man sich gleichsam „über die Welt“, über die Menschen und über all jenen langweiligen Alltagskram.
Daher sprechen die Buddhisten von dem „Gestank der Angst“ und dem „Gestank des Glücks“. Sie nennen es „Gestank“, weil man sich nun mit der Glückseligkeit genauso identifiziert wie zuvor mit dem Fokus der Angst. Es sind lediglich weitere Polaritäten, sie haben noch nicht wirklich etwas mit der Einheit zu tun, der Transformation dieser Polaritäten. Die Tücke ist, daß es sich aber so anfühlt; denn mit der Glückseligkeit erhält man erstmalig einen Eindruck der Verbundenheit. Die Lehrer messen diesem Zustand keine tiefere Bedeutung zu, sondern suchen diesen zu zerstreuen, damit der Schüler sich nicht hängt an diese Illusion und an dieser Stelle steckenbleibt. Denn die Gefahr ist sehr groß, dieses Erleben als das Nonplusultra zu begreifen und man also nicht mehr weiter nach innen vordringt.
Sabazius1 sagt, diesem Zustand fehle die „Furcht“, und er hat recht. Denn wenn ich mich willentlich in jenen Glückszustand hineinfallen lasse, verliere ich meine Richtung und meinen Willen. Zuvor war das Ego von Angst durchtränkt und der Mensch daher ein willenloses Spielzeug all jener Gefühle und Empfindungen, die hier dazugehören und – weil unbewußt – die Handlungen unseres Alltags bestimmten. Dasselbe gilt für jenen Glückszustand, wobei das Ego sich nun aufplustert mit positiven Gefühlen und hierin ebenfalls Wille, Antrieb und Fokus aufgelöst werden. Mit einem „weichen netten Gefühl“ kann man ebensowenig der Welt begegnen wie mit den Dämonen der Angst, die uns genauso blind antreiben.
Doch was ist die Lösung? Wie entkommen wir jener „Willenlosigkeit“? Wobei hinzukommt, daß ja jeder nach der Glückseligkeit strebt und der Angst entfliehen möchte. Das, was Sabazius „ohne Furcht“ nennt, beschreiben Don Juan2 oder Millmans Socrates3 als „Erhöhung des Selbst“; als die eigene Wichtigkeit, mit der das Ego stets sucht sich aufzuladen. Das, was eine Transformation herbeiführen kann ist, was die Zauberer „Nüchternheit“ nennen. Sabazius nennt es „Furcht“, weil er weiß, daß die Furcht uns mit der nötigen inneren Wachsamkeit versorgt, die Teil des Willens ist. Don Juan nennt den angestrebten Zustand „Nüchternheit“, da er sämtlichen Gefühlswallungen, von denen wir uns so gern leiten lassen, entkleidet ist. Und erst in der Nüchternheit finden wir: Balance.
Um diesen Zustand zu erreichen, benötigen wir einen klaren Fokus. Den Fokus auf all die kleinen wie großen Aufgaben des Alltags – ganz gleich, wie wichtig oder unbedeutend sie scheinen mögen. Denn erst die Verankerung im Alltäglichen wird jene Balance und Zentrierung bewirken, nicht das Schwelgen in Gefühlen welcher Art auch immer. Alles kann diese Art Fokus hervorbringen, sobald ich mein Augenmerk auf exakt diejenige Tätigkeit lege, die ich im Moment ausführe. Es ist nicht relevant was wir tun, sondern ob wir auch innerlich anwesend sind bei unserem Tun. Daher empfinden wir „gefährliche“ Tätigkeiten als so aufregend und energetisierend: weil sie uns in den Jetzt-Fokus ziehen.
Und erst, wenn wir uns diese Art Fokus zueigen gemacht haben, wenn dies uns in Fleisch und Blut übergegangen ist und wir jede Handlung in dieser Haltung durchführen, werden wir jene Nüchternheit in uns verankern und in weitere und weitere Tiefen gelangen.
Es ist genau, was Ocyphius4 gemeint hat, wenn er sagt: Zunächst schien das Ego unser „Feind“, da es uns, die wir uns für unser Ego halten, mit Angst durchtränkt hat und offenbar stets „gegen uns“ arbeitete. Nun wechselt es die Seiten und zieht unser Erleben in die Glückseligkeit, wird unser „Freund“, doch nichts ist hierdurch gewonnen, denn immer noch sind wir aus unserem Kern herausgezogen. Erst die Nüchternheit verbindet uns wieder voll und ganz mit unserem Kern, mit dem, was wir wirklich sind und erschafft hierdurch ein Empfinden von Einheit und Souveränität. Unser Schlachtfeld ist immer und überall: der Alltag. Wir können ihm nicht entfliehen, und das ist gut so, denn nur in der stetigen Kommunikation mit meinem Alltag erkenne ich, an welchen Punkten ich noch Verfeinerung benötige.
Es geht nicht um Verhalten, sondern um Haltung. Und der Trick, der wirkliche Trick ist, stets einen Schritt zurückzutreten von all den eigenen Bedürfnissen und Befindlichkeiten, von dem Gefühlssturm, der stets in uns tobt. Erst durch diesen Schritt zurück können wir einen größeren Überblick erreichen.
(Spax 24.3.15)
Fußnoten
- Spiritueller Lehrer aus: Douglas Lockhart, Wer den Wind reitet, rororo transformation 1987 [1978]. (siehe Inspiration: Bücher)
- Spiritueller Lehrer von Castaneda. (siehe Inspiration: Bücher)
- Spiritueller Lehrer von Dan Millman. (siehe Inspiration: Bücher)
- Gechannelte Wesenheit durch Roxie. (siehe Inspiration: Channelings)
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