Erkenntnisdrang
Die Frage bleibt schlußendlich auch: Was mache ich mit all meinen Erkenntnissen? Sind sie überhaupt zu irgendetwas nütze? Ich sage ja gern auch „words don′t teach“, Worte lehren nicht. Aber das möchte ich nun doch ein wenig relativieren. Denn viele AutorInnen haben Bücher über deren Erfahrungen und Erkenntnisse geschrieben. Und all diese Bücher waren von Wert für mich: um meine eigenen Erkenntnisse zu verifizieren, mich besser zu verstehen, sie in den Kontext meiner eigenen Erfahrungen zu übertragen und letztlich hierüber tatsächlich auch meine eigenen Erkenntnisse weiterzuentwickeln.
Von daher muß ich jetzt diese Aussage revidieren, denn Worte können alles mögliche in einem auslösen. Worte können Erkenntnisstränge oder Erkenntnisbröckchen, die ich bereits habe, zu einem Ganzen verbinden, oder sie können ein neues Thema hervorbringen. Und immer können Worte jenen Funken in uns entzünden oder größer machen, den Lichtfunken unseres Bewußtseins, unserer Lebenskraft, die Aufgeregtheit über das Abenteuer, z.B. nach Erkenntnis zu forschen. Von daher können Worte durchaus weitere Erkenntnisse in mir antriggern oder den Wunsch, in eine bestimmte Richtung forschen zu wollen. Von daher haben Worte, Erklärungen und Geschichten ihren Wert! Vielleicht können sie manchmal einen Funken sogar zum Leuchten bringen – so wie bei Anssi,1 der sagt, er hätte beim Lesen eines Buches ein Aufwacherlebnis gehabt.
Solange wir uns als physische Wesen in der Dualität ausdrücken, werden Erklärungen immer für uns wichtig sein, denn sie gehören per se zur Ersten Aufmerksamkeit2 (Tagesbewußtsein), zu unserer Ratio, die wir ja genau aus diesem Grund überhaupt erst erschaffen haben: um Erkenntnisse über das Bewußtsein und dessen Aspekte und Wirkweisen herauszufinden. Und die Ratio muß hierfür getrennt sein vom eigentlichen Erleben! Sie analysiert stets im Rückblick, welche Erkenntnisse ein bestimmtes Erleben bereithält für uns. Um hier etwas erkennen oder lernen zu können, benötigen wir genau diesen Abstand, den die Ratio uns hierfür bietet.
Aufgrund der Weise, wie die Ratio funktioniert, haben wir uns allerdings ein wenig hierin verirrt und können unseren Fokus schwer von ihr lösen. Benutzen wir sie aber als das Werkzeug, das sie darstellt, um Erkenntnisse über unsere Wahrnehmung zu erläutern, bietet sie das nötige Hilfsmittel. Es ist nur nicht besonders klug oder hilfreich, unser Leben oder unsere Erfahrungen von ihr leiten zu lassen.
Fußnoten
- Siehe hierzu das Video auf YouTube von MYSTICA Magazin: Anssi – Erwachen: Ein Tiefengespräch über das Nicht Beschreibbare (20.06.20).
- Erste/Zweite Aufmerksamkeit: Begrifflichkeiten, die in den Lehren von Don Juan, dem spirituellen Lehrer von Castaneda verwendet werden. Die „Erste Aufmerksamkeit“ bezeichnet hierbei unser Tagesbewußtsein, die „Zweite Aufmerksamkeit“ gleicht unserem „Traumbewußtsein“.
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