Vogelgedanken

8. Mai 2015 at 01:29

Vogel-Nacht_SNIPHm, wollt grad noch­was an­de­res schrei­ben, an­de­res The­ma. Da­her ist es okay, wenn ich bei den Sei­ten1 hüpfe wie mei­ne Ge­dan­ken sprin­gen: weil mei­ne Hand nicht so schnell ist wie mei­ne Ge­dan­ken und die­sen nicht so schnell fol­gen kann. Da­her ist es gut, den nächs­ten Ge­dan­ken, der auf­taucht, auf­zu­schrei­ben oder auf ei­nem Stich­wort­zet­tel kurz zu no­tie­ren, dann ver­geß ich nicht, was noch war. Ge­dan­ken sind ja in­stant­ly2 und von da­her so schnell wie man nicht gu­cken kann, ge­schwei­ge denn schrei­ben.

Ah, das zeigt mir noch et­was: Wenn ich mit der Hand schrei­be, ver­lang­samt dies mei­nen Ge­dan­ken­strom! Denn im Kopf den­ke ich mit, was ich schrei­be oder schaue mir zu da­bei. Und das hält mei­ne Ge­dan­ken „in Schach“ so­zu­sa­gen. Da­her ist Schrei­ben auch so wert­voll! 1) Es ver­lang­samt dei­ne Ge­dan­ken, so daß du ih­nen zu­schau­en kannst. Und wenn du dei­ne Ge­dan­ken so ver­lang­samt hast, kannst du 2) bes­ser wahr­neh­men, was de­ren In­hal­te sind und 3) mit die­ser Wahr­neh­mung und die­sem Er­ken­nen die Ge­dan­ken­in­hal­te ändern. Dies al­les ist ein Pro­zeß, um sich selbst qua­si vor Au­gen zu führen, was man denkt und was ge­nau die ei­ge­nen Ge­dan­ken­in­hal­te sind. „Nur darüber nach­den­ken“ genügt nicht. Um die falsche Persönlich­keit zu ent­lar­ven muß man sie se­zie­ren – und dafür ist es gut, sie vor sich auf dem OP lie­gen zu ha­ben, al­so auf dem Pa­pier. Ich den­ke, daß länge­res Al­lein­sein oder das Schwei­gen einen ähn­li­chen Ef­fekt ha­ben können.

Was mich im­mer wie­der ärgert, ist die Flüchtig­keit mei­ner Ge­dan­ken. Wenn ich sie nicht so­fort nie­der­pin­ne – oder soll­te ich sa­gen: nie­der­stre­cke? – sind sie fort, so schnell wie sie ka­men. Wirk­lich, ich muß im­mer an so klei­ne Ma­gnet­klötz­chen den­ken, die sich klick klick klick an­ein­an­der­rei­hen und an­ein­an­der­haf­ten. Die Ma­gnet­klötz­chen sind die All­tags-3D-Kopf­ge­dan­ken: wo z.B. ein Geräusch oder sonst­was für mei­ne Sin­ne Auf­dring­li­ches mei­ne Ta­ges­wahr­neh­mung auf sich zieht. Von da­her könn­te man sa­gen, daß un­se­re Sin­nes­ein­drücke uns in das All­tags­be­wußtsein zie­hen. Dafür sind sie ja schließlich ge­macht.

Doch auf ei­ner an­de­ren Ebe­ne, die in sich vie­le Ebe­nen und Wahr­neh­mungs­schich­ten trägt, neh­men die Ge­dan­ken ei­ne an­de­re Form an. Dies sind die eher „träume­ri­schen“ Zustände, wenn wir im Halb­schlaf sind und das Ta­ges­be­wußtsein halb weg­ge­drif­tet. Hier ha­ben die Ge­dan­ken ei­ne an­de­re Qua­lität, hier sind sie eher wie Vögel, die kurz durch un­se­re Wahr­neh­mung drif­ten und im nächs­ten Au­gen­blick schon wie­der aus dem Ge­sichts­kreis ver­schwun­den sind. Hier sind wir nicht ver­bun­den mit un­se­ren Sin­nes­ein­drüc­ken des All­tags. Es han­delt sich eher um „Stich­wor­te“, die kurz in un­se­rer Wahr­neh­mung auf­flat­tern und auf und da­von sind, wenn ich sie nicht ein­fan­ge.

Magnetfeldlinien_SNIPDas Schrei­ben bringt die „Vo­gel­the­men“ aufs Pa­pier, zu de­nen ich an­sons­ten mit der All­tags­wahr­neh­mung kei­nen Zu­gang ha­be. Fängt man aber an, die­se Art der Ge­dan­ken ein­zu­fan­gen, so ge­lan­ge ich zu ganz an­de­ren The­men, Schich­ten und Zu­sam­men­hän­gen. Was das an­geht, sind die­se Vo­gel­ge­dan­ken gleich­falls wie klei­ne Ma­gne­te oder eher Ma­gnetspäne, die ih­re ei­ge­nen Mus­ter bil­den.

Ich ge­be dem McKen­na3 von da­her recht: daß die schrift­li­che Au­to­ly­se („Selbst­ver­dau­ung“) ei­nes der ef­fek­tivs­ten Mit­tel ist, all je­ne Din­ge zu ent­lar­ven, die die ei­ge­ne „falsche Persönlich­keit“ aus­ma­chen. Man fängt mit den of­fen­sicht­lichs­ten Din­gen und Ge­dan­ken an, den­je­ni­gen, die uns im 3D-Mo­dus (All­tags­mo­dus) hal­ten.

A. hat ges­tern ge­sagt, sie hätte das Gefühl, sie hätte über­haupt kei­ne Kon­trol­le über ih­re Ge­dan­ken und al­so kei­ne Kon­trol­le über ihr Le­ben. Wo­mit sie voll­kom­men recht hat. Aber al­lein dies wahr­zu­neh­men ist ein ent­schei­den­der Mei­len­stein! Denn hier­mit er­kennt sie das ei­gent­li­che Di­lem­ma. Und die we­nigs­ten drin­gen bis hier­her vor. Denn um die Kon­trol­le über die ei­ge­nen Ge­dan­ken zu er­lan­gen, muß man sich eben ge­nau an­schau­en, wie sie funk­tio­nie­ren.

In­ter­essant auch, was B. ge­sagt hat: wenn er im Gar­ten sitzt und sich die Vöglein an­schaut, be­ob­ach­tet er, daß sie von hier nach dort flie­gen und er fragt sich, wel­chem ge­heim­nis­vol­len Mus­ter sie fol­gen. Denn Vögel den­ken ja nicht nach über das, was sie tun, sie tun es ein­fach, sind ganz Vo­gel und im Hier+Jetzt. Sie ant­wor­ten ih­ren Im­pul­sen.

Dies ist der Un­ter­schied zwi­schen den „Ge­dan­ken A“ (Ta­ges­be­wußtsein) und den „Im­puls­ge­dan­ken B“, wel­che mit dem Hig­her Self ver­bun­den sind und mit un­se­rer In­nen­wahr­neh­mung – wie pas­send, sie „Vo­gel­ge­dan­ken“ zu nen­nen. ;-)) Je­ne „Vo­gel­ge­dan­ken“ sind un­se­re Hand­lungs­im­pul­se, denn die Vöglein den­ken nicht darüber nach, ob sie ei­nem Im­puls fol­gen, son­dern fol­gen die­sem. Wir ver­kom­pli­zie­ren die Sa­che da­durch, daß wir un­se­re Im­pul­se in Fra­ge stel­len – und ma­chen uns hier­durch fort­lau­fend unglück­lich, da wir eben die­sen Im­pul­sen nicht fol­gen, son­dern un­se­ren Kopf­ge­dan­ken. Das Glück­lich­sein, wel­ches je­doch al­le so be­geh­ren und su­chen, liegt al­ler­dings ex­akt im di­rek­ten Ant­wor­ten auf je­ne Im­puls­ge­dan­ken („ant­wor­ten“ im Sin­ne von Hand­lung).

Je mehr ich in mei­nen Kopf­ge­dan­ken zu­gan­ge bin, de­sto mehr dränge ich die­se Im­puls­ge­dan­ken in den Hin­ter­grund und de­sto we­ni­ger neh­me ich sie wahr. Doch weil wir trai­niert sind in der Ver­wen­dung der Kopf­ge­dan­ken, fan­gen wir an, die Im­puls­ge­dan­ken gleich­falls in die­ser Ma­nier zu be­trach­ten und hin­ter­fra­gen sie. So ste­hen wir uns selbst auf den Füßen, denn die­ses Hin­ter­fra­gen der ei­gent­li­chen Hand­lungs­im­pul­se ver­hin­dert, daß wir den Ein­ge­bun­gen des Hig­her Self fol­gen. Wenn man dies weiß, könn­te man z.B. als spie­le­ri­sche Übung ei­ne Zeit­lang un­hin­ter­fragt die­sen Im­pul­sen ant­wor­ten (al­so han­deln auf­grund die­ser lei­sen Im­pul­se) und schau­en, was pas­siert und ob oder in wel­cher Wei­se sich un­ser Le­ben dar­auf­hin verändert…

(Spax 6.5.14)

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Fußnoten

  1. Sei­ten: sie­he Mor­gen­sei­ten.
  2. au­gen­blick­lich
  3. Jed McKen­na: sie­he Bücher.