Illusionisten

12. Juni 2014 at 23:46

Fantasy_environmental-SNIPMan kann sich schon fragen, wie man überhaupt an irgendetwas anderem interessiert sein kann als an der Entwicklung des eigenen Bewußtseins. Aber das ist ja genau der Trick: Genauso wie Don Juan mit Don Genaro den Castaneda „gesplittet“ haben,1 indem jeder in eines seiner Ohren etwas gesagt hat, genauso wird unsere 3D-Illusion aufgebaut: indem wir uns permanent bestimmte Dinge einreden, dauerhaft, ohne Zeit selbst zu denken bzw. auf jeden, der anders denkt oder neue Ideen hat, draufzuhauen. 3D ist eine Illusion, die nur unter Zwang aufrechterhalten werden kann. Daher sind alle so vehement darin, denn sonst würde dies garnicht funktionieren können. Und genau auf diese Weise funktioniert jede einzelne Illusion oder Illusionswelt, die kreiert wird. Sie kann nur so funktionieren, denn ohne eine Illusion hätten wir keine einzige Welt und wären nicht in der Lage, bestimmte Möglichkeiten des Bewußtseins zu erkunden, das Bewußtsein von „außen“ her betrachten zu können.

Das Vergessen ist daher kein „tatsächliches“ Vergessen, denn es gehört implizit zum Illusionstraining; es wird nicht auf irgendeine mysteriöse Weise „über uns gestülpt“ oder sowas. Eine Illusion kann nur funktionieren, wenn wir denjenigen Teil unseres Bewußtseins ausblenden, der stets mit allem verbunden ist und alles direkt weiß. Wir könnten keine Sinfonie genießen, kein kühlendes Bad, keinen heißen Kaffee, wenn wir bewußtseinstechnisch nicht die Illusion eines Getrenntseins hätten. Ebenso könnten wir auch keine Sinfonie ersinnen oder eine Kaffeemaschine oder sonst irgendetwas. Es ist der Spaß am Ausprobieren all der Möglichkeiten, die man hat, bewußtseinstechnisch.

Man könnte daher sagen, daß jede Wahrnehmung eine Illusion ist, sobald ich irgendetwas als „getrennt“ von mir wahrnehme, also in der Betrachtung von etwas. Es wird erst zu einem direkten Erleben, wenn ich etwas nicht einfach „nur“ betrachte, sondern mich verbinde mit einem Ding und mit einem scheinbar Anderen ein gemeinsames Erleben habe von Einklang, erst dann bin ich im Jetzt, wenn ich mein Jetzt, mit allem, was sich darin befindet, auch erlebe.

Unsere Angewohnheit alles zu bewerten trennt uns von unserer direkten Wahrnehmung und der Möglichkeit, eine ganzheitliche Erfahrung zu machen. – Wenn man sich verliebt, sind beide Seiten gleichermaßen offen und im Jetzt und diese starken Gefühle, die wir entwickeln resultieren daraus, daß keiner bewertet. Das kommt erst kurz darauf, und schon finden wir uns in all den Beziehungskonflikten; nur deshalb, weil ich nun anfange, mein erlerntes Bewertungsschema auf das „neue Objekt“ zu legen sowie als zweites wieder genau dieses erlernte Bewertungsschema wie ich irgendetwas deute oder eingruppiere, als die einzig „richtige“ Betrachtungsweise anzuerkennen.

(Spax 12.6.14)

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Fußnoten

  1. Don Juan war der spirituelle Lehrer von Castaneda; Don Genaro hat ihn ebenfalls gelehrt. Bei der Prozedur des „Splittings“ wird das Bewußtsein der SchülerInnen auf praktisch wahrnehmbare Weise in zwei Teile gespalten, die mehr oder weniger unabhängig voneinander sind und aus denen unser menschliches Bewußtsein besteht. Sehr rudimentär und grob umschrieben könnte man diese beiden Teile als „Instinkt“ und „Intellekt“ bezeichnen – nur um eine Idee anzudeuten, worum es hier in etwa geht.