Ich bin wichtig
Ocyphius war gut in dem Video „Turncoat“,1 es ging ums Ego: daß wenn man es gezähmt hat oder dessen Mechanismus erkannt hat, das Ego sozusagen die Seiten wechselt und nicht mehr so offensichtlich „gegen“ einen arbeitet, sondern mit einem. Aber eigentlich ist dies unerheblich; denn solange die Leute nicht begreifen, daß das, was sie für ihre ureigenste Persönlichkeit halten, ihr Ego ist – eine antrainierte Struktur –, werden sie ihr Ego auch nicht umformen oder ändern können. Die Menschen glauben immer, daß sie etwas bestimmtes tun müßten, um „mehr“ oder anders zu werden oder „weiterzukommen“, doch nichts dergleichen ist der Fall. Man muß lediglich zum Sein zurückfinden – und daher alles Wollen, Dran-herum-Schrauben, jegliches Begehren, loslassen.
Keine Ahnung, ob man dies üben kann – offenbar kann man, denn viele tun es. Doch wieviele haben Erfolg mit ihren Übungen? Wieviele wachen hierdurch wirklich auf? Extrem wenige im Verhältnis zu all den Übenden, den zig Millionen in entsprechenden Seminaren, Klöstern, Meditationshallen. Wäre das Aufwachen so „simpel“, wir hätten es längst gemeistert. Doch wieviele Leute sind bereit, sehenden Auges sich das Herz mit beiden Händen herauszureißen, und gereinigt wieder einzusetzen? Wieviele würden sich freiwillig und ohne Narkose eine Hand abhacken oder einen Arm?
Es ist genau das, was McKenna beschreibt: Die Leute wollen garnicht aufwachen – weil sie es nicht wollen können.2 Sie wollen so weise und entspannt sein wie der Dalai Lama, das ja, aber doch nur, um sagen zu können „Hey, ich bin der Dalai Lama“ und dadurch etwas Besonderes sind: Ich bin besonders, weil ich eine Website habe, Seminare gebe, ein Heilzentrum eröffne etc. etc. Es ist exakt, was die Zauberer3 gesagt haben: Du mußt die eigene Wichtigkeit ablegen, mußt dich verspotten lassen können, ohne daß es dich auch nur im mindesten kratzt – das baut die Machtstruktur des Ego ab und setzt es wieder „auf den Hosenboden“.
Und genau aus diesem Grund erscheinen all die erfolgreichen spirituellen Lehrer oft so barsch oder „ungerecht“ oder widersprüchlich: Alles nur, um unsere grundlegende und innewohnende Überzeugung zu demontieren, unsere Identifikation mit dem Ego abzubauen. Das ist, was man auslöscht letztlich, nicht das Ego selbst, welches nichts dafür kann, daß wir es auf den Thron gesetzt und überhöht haben.
Aber so ist das nunmal: Wenn man andere Möglichkeiten der Wahrnehmung kennenlernen und andere Erfahrungen machen will, ist es nötig, die Persönlichkeitsstruktur erst von dem „Wahren“ (Sein) fortzulocken; und wenn ich hierdurch das Gefühl für meine Identität und für mein Sein verliere, so benötige ich eine andere Struktur, in die ich statt dessen schlüpfen kann, und dies ist bei uns die Egostruktur. Wenn man nach all den Erfahrungen wieder zurückkehrt zum Sein und der Ursprungsstruktur, dann wird dies als „Aufwachen“ bezeichnet: Es ist lediglich das Wieder-Annehmen jener Struktur, die ich zuvor bereits hatte und das Erkennen hiervon. Das Erkennen, daß das Sein mein ureigenster Ausdruck ist – immer und überall. „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder“, ganz genau.
(Spax 23.3.15)
Fußnoten
- Ocyphius ist eine von Roxie gechannelte Wesenheit. (siehe Inspiration: Channelings) Link zum Video: The Turncoat
- Jed McKenna: Spirituelle Dissonanz: Wie Mensch erwachsen wird, 430 S., Omega 2008.
- Die Gruppe der Seher um Don Juan, dessen Schüler Castaneda war, bezeichneten sich manchmal als „Zauberer“.
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