Lebensaufgabe
Als ich vor etwa acht Wochen in der Umgebung spazierengegangen bin, saß ich auf dem Rand meiner Wahrnehmung und blickte „nach draußen“, habe alles so deutlich gespürt. Diese 3D-Welt war mir gleichgültig, ich blickte in die andere Richtung. Doch jetzt ist mir, als blickte ich in garkeine Richtung. Üblicherweise finde ich ja auch neue Infos aus dem „Spiri-Sektor“ anregend, um mich von diesen ziehen zu lassen. Aber selbst das langweilt mich. Warum? Weil ich meinen Fokus auf nichts lenken mag. Ich bin die größte Wischiwaschiperson, die ich kenne. – Ein Weltenwanderer,1 nein, das bin ich nicht, denn ich bin zu faul für die allereinfachsten Handgriffe und Übungen. „Make an effort“, das könnt′ ich mir mal aufs Hirn tätowieren.
Wenn man nicht einmal die Kraft für die allerkleinste Anstrengung aufbringen kann, so hat man keinen Willen. Keinen Willen, keine Meinung – so kann ich es auch formulieren. Denn erst, wenn ich eine Meinung habe, beziehe ich eine Position, entscheide ich mich für ein Rechts oder Links und setze mich somit in Bewegung; weil ich für etwas brenne, weil ich für etwas Leidenschaft fühle, weil ich für etwas kämpfen mag, mich für etwas einsetzen möchte. Daraus bestehen unsere 3D-Leben im Wesentlichen: aus Leidenschaften, selbst wenn dies „bloß“ eine Meinung ist, eine Überzeugung.
Doch wie soll man leidenschaftlich sein oder für etwas eintreten, wenn man weiß, es ist alles gleich-gültig? Die Balance verhindert das Sich-Entscheiden per se. Bin ich im Balance- oder Neutralpunkt, ist es unmöglich, mich zu entscheiden, und daher ist es gleichermaßen unmöglich, mich in Bewegung zu setzen. Denn Bewegung findet erst statt, wenn ich das Zünglein an der Waage bewege, etwas hineinlege in eine der Waagschalen – mich entscheide für etwas oder z.B. einer Leidenschaft folge.
Genau an diesem Punkt setzt die „Disziplin“ an. Ich meine jetzt nicht die Disziplin, irgendwelche Übungen zu machen, nicht den „Kasernendrill“. Ich meine die Disziplin, sich geistig zu fokussieren. Hier wieder Don Juan: It′s a lifetime struggle…2 Er meint hiermit, daß man es wollen muß, quasi jeden Augenblick das Wachsein bzw. den Fokus weiterhin auf das Wachsein zu legen, anstatt sich von der 3D-Welt wieder gefangennehmen zu lassen und sich wieder zu verstricken. Zwar ist es nicht wirklich möglich, sich komplett wieder zu verstricken, wenn man aufgewacht ist; aber man kann durchaus die Wachheit „verlieren“, das Interesse, das Lauschen nach Innen, das Horchen. Und das Produkt hiervon ist Langeweile, weil nichts sich mehr bewegt.
Ich langweile mich also deshalb, weil ich meinen Fokus nicht setze!, nicht weil mein Leben oder die Welt langweilig wäre. Und das genau hat Don Juan gemeint mit: It′s a lifetime struggle, daß man den Fokus beibehält. Und das, genau das ist mit „Disziplin“ gemeint: stets den Fokus auf das Wesentliche zu lenken, auf die Verbindung, das Verbundensein, die Wachheit und den Link, das Verbindungsstück zwischen den beiden Welten (der inneren und der äußeren).
Es geht garnicht darum, irgendeine Aufgabe zu erfüllen oder in der Welt etwas zu leisten, wie wir häufig annehmen oder glauben, sondern es geht darum zu lernen, den Fokus auf dieser Verbindung, diesem Link zu haben. Es geht – wieder einmal – so garnicht darum, irgendeinen „3D-Welt-Job“ zu machen, sondern immer und überall nur um diese eine Aufgabe: den Fokus auf dem Link zu halten. Das ist die einzige Disziplin, die Sinn ergibt. Denn dieser Link ist alles, was uns lebendig macht, ist alles, was uns Erkenntnisse beschert; dieser Link ist unsere Nabelschnur zum Nichtphysischen.3 Diesen Link lebendig und wach zu halten ist alles – und ganz genau: Das hinzubekommen ist ein lebenslanges Ringen. Sobald ich nämlich meinen Fokus fortnehme von diesem Verbindungsstück, werde ich wieder zum Spielball all jener Kräfte, die an mir ziehen. Und daher ist der Fokus so entscheidend! Habe ich meinen Fokus nicht genau auf dieses Verbindungsstück gelegt, verliere ich: meinen WILLEN!!!4
Hiermit wird ganz deutlich, daß dieses „Setzen des Innenfokusses“ nicht das geringste zu tun hat mit a) Tätigkeiten oder Übungen, die zu tun wären; oder b) mit irgendwelchen Befindlichkeiten, Gefühlen oder Emotionen. Denn all jene positiven Dinge, Gefühle, Situationen und Richtungen, die ich mir in meinem Leben erträumen mag, sind eine automatische Folge, sobald ich meinen Fokus auf diesen Link lege.
Das ist der einzige wirkliche „Job“, der zu erledigen ist, wenn ich aufwachen will oder es bereits bin. All diese Aussagen über „Follow your Passion“, „Sei glücklich, weil es eine Entscheidung ist“ oder bei sich selbst positive Gefühle zu erzeugen, bringen mich nicht wirklich zum Aufwachen. Wenn ich meinen Fokus auf positive Dinge richte oder – egal auf welche Weise – positive Schwingungen oder Gefühle in mir erzeuge, kann dies jeweils nur allerwinzigste Einblicke geben in einen Empfindungs-Zustand, wie ihn das Aufwachen automatisch produziert; doch: Es ist nicht das Aufwachen. Das Aufwachen wird nur erfolgen, wenn ich meinen Fokus auf den Link gerichtet habe, auf den Wunsch des Verbundenseins.
Und hier kommt die Crux, denn weil ein Nichtaufgewachter nicht weiß und wissen kann, wie das Aufgewachtsein sich „anfühlt“ und was es für eine innere Veränderung mit sich bringt, ist es für einen Nichtaufgewachten unmöglich den Fokus auf diesen Link zu legen, denn er kennt ihn garnicht. Und nur deshalb müssen alle Lehrer sich all diese Methoden, Übungen und Metaphern ausdenken, damit ein Schüler überhaupt kleine Schritte in diese Richtung machen kann. Ein Lehrer muß immer Tricks anwenden: 1) um den Schüler bei der Stange zu halten, und 2) weil der Lehrer das, worum es unterm Strich geht, nicht erklären kann, weil es für den Schüler nicht verstehbar ist.
Genau deshalb sind so unzählige Methoden und Übungen im Umlauf. Eine ist jedoch fast überall präsent, und das ist die Meditation. Die Meditation ist insofern hilfreich, weil sie in der Lage ist, die innere Stille zu nähren – wenn man Glück hat, bis zu einem Punkt, wo man sie spüren kann. Denn auch dies ist ein Produkt des Aufwachens: man fällt in die innere Stille.
Doch wie gesagt, es ist ganz gleich, was ein Suchender oder Schüler „übt“, er wird sich immer Vorstellungen aus seinem 3D-Verständnis machen, denn etwas anderes hat er ja nicht zur Verfügung. Daher sind all seine Fragen 3D-Vergleichs-Fragen und er erhält niemals befriedigende Antworten von seinem Lehrer, weil dieser stets multidimensionale Antworten gibt, die keine Verbindung haben mit dem eingeschränkten 3D-Denken. Dieser Umstand macht es doppelt schwierig für all jene, die bewußt das Aufwachen anstreben, denn sie sind zwangsläufig auf einer falschen Fährte, da das Aufwachen letztlich nicht erklärbar ist. Man versteht es erst, wenn man aufgewacht ist, vorher nicht, pas de chance.5
Und daher ist das einzige, was ein Lehrer je macht: dem Schüler eine andere Sichtweise zu präsentieren, woran der Schüler sich reiben kann. Alles steht und fällt generell mit unserem 3D-Denken, das stets vergleicht und Bilder und Vorstellungen produziert. Daher sind sämtliche wirksamen Methoden immer darauf ausgelegt, „das Radio im Kopf auszuschalten“ und eingewurzelte Vorstellungen aufzubrechen. Denn erst, wenn das Radio schweigt, kann ich für einen kurzen Moment einen Blick werfen auf jene innere Weite, die sich in mir ausbreitet wie ein stilles Land… Das ist der Link, das ist der Fokus, den man ausweiten muß.
Gleichfalls ist dies die Aufgabe aller Aufgewachten, damit sie nicht irre werden, sich zu Tode langweilen oder wenn sie das Gefühl haben, wieder im 3D-Gewusel festzustecken, nicht mehr vorwärtskommen und selbst des Verbindungsgefühls verlustig gegangen sind: den Fokus auf den Link zu legen. Wieder und wieder und wieder, und alles 3D-Gezerre an sich vorbeiziehen zu lassen. That′s all. Denn erst in diesem Fokus verbinden sich beide (bzw. alle) Welten.
(Spax 31.5.14)
Fußnoten
- Jemand, der zu 100 % im Jetzt fokussiert ist und dies lebt, jemand, der aufgewacht ist.
- (engl.): „Es ist ein lebenslanges Ringen“
- Nein, ich meine hiermit nicht jene „Silberschnur“, die einige bei ihren Spiri-Reisen wahrnehmen.
- Es ist nicht jener Kopf-Wille gemeint, der sich für Kino, Job oder eine Reise entscheidet; sondern der innere Wille, meinen Fokus zu setzen.
- (frz.): „keine Chance“
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