Widerstände machen machtlos

8. Juni 2020 at 22:23

„Was wir verabscheuen, macht uns zu dem, was wir verabscheuen.“ Dieser Satz kam mir vor ein paar Tagen in den Sinn. Und es stimmt: Je mehr wir z.B. mit Haß oder Zorn auf etwas losgehen, desto mehr verwandeln wir uns genau in das Abbild, das wir nicht sein oder in unserem Umfeld haben möchten. Wir sind dann vollkommen absorbiert von dem Abscheulichen, Abstoßenden, das wir verdammen. Je weniger ich meinen Fokus von solchen Abscheulichkeiten abziehen kann, desto mehr werden sie mein Leben beherrschen.

Und was fast niemals wahrgenommen wird in solch einer Ablehnungshaltung irgendeiner Sache gegenüber ist, daß wir in unserer Ablehnung exakt dieselben Kriterien und Verhaltensweisen anwenden, die wir so bemüht sind, auszumerzen. Genau aus diesem Grund sind Friedensdemos erfolgreich oder Leute, die anstatt Aggressionen gegen Aggressionen zu setzen, sich hinstellen und für etwas demonstrieren, was sie möchten – nicht „gegen“ etwas, sondern eine Demonstration für irgendetwas. Und deshalb können Leute mit ein paar Kerzchen und freundlichen, friedlichen – fast passiven – Aktionen eine Mauer und ganze Staaten zu Fall bringen. Nicht, indem sie mit derselben inneren Haltung eines Widerstandes gegen etwas anrennen, das exakt diese Dinge in ihnen hervorbringt, stärkt, füttert.

Durch meine Widerstände erhalten genau diejenigen Sachen, die ich ablehne eine ungeheure Macht über mich und ich fühle mich umso machtloser, je kräftiger ich dagegen anrenne.

(Spax  8.6.20)

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