Rollenbilder

5. Dezember 2017 at 03:49

Verkleidung-Kostüm_SNIP_2713386_MichaelGaidaVorhin, da war ein interessanter Gedanke. Die Gedanken, sie kommen auch immer wieder – die interessanten genauso wie die langweiligen. Das kann ich gut an meinen Seiten1 sehen. Und obwohl ich seit Jahren über ähnliche oder dieselben Themen schreibe – das Bewußtsein betreffend –, so vertiefen sich doch peu à peu die Einsichten über ein Thema. Es handelt sich dann vielleicht nicht um die „welterschütternden“ Aha-Kracher, sondern eher kleine Puzzleteilchen; dennoch dienen auch diese dazu, das große Gesamtbild besser erkennen zu können. Doch das eigentlich Wesentliche ist ja, das, was man weiß, auch umsetzen zu können. Denn nur durch die aktive Umsetzung und Einübung eines Aspektes habe ich die Möglichkeit, alte Muster oder Gewohnheiten mit neuen zu überlagern.

Sicherlich ist es möglich, von einem Augenblick zum nächsten in die Vorstellung einer anderen Individualität zu springen, die wir vielleicht darstellen möchten oder Aspekten, denen wir zum Ausdruck verhelfen möchten. Doch zumeist ist unsere „Schwingungskluft“ zu groß als daß wir dies erreichen könnten von Jetzt-auf-gleich. Daher helfen uns all die kleinen Schritte, die auf längere Sicht das Gewünschte einüben und festigen. Wir bauen mit unseren Gedanken und Taten Brücken zu der „neuen Person“, die wir sein möchten.

Dennoch gelingt es uns, bestimmte Eigenschaften oder Ausdrucksformen auch von einem Moment zum anderen umzusetzen: Wir tun dies täglich, wenn wir beispielsweise an die Arbeit gehen und hierfür in eine bestimmte Rolle (mit entsprechendem Kostüm) schlüpfen. Wir tun es, wenn wir mit anderen Eltern beisammen sitzen und unsere Elternrolle definieren. Wir tun es, wenn wir schauspielern oder uns an Karneval verkleiden. Stets erschaffen wir neue Rollen für uns, sobald wir uns in ein neues Umfeld begeben. Wir denken garnicht groß nach darüber, sondern tun es mühelos – so flexibel sind wir in unserem Denken, in unserem Ausdruck.

Mit manchen Rollen identifizieren wir uns mehr als mit anderen, glauben, daß bestimmte Ausdrucksformen uns eher entsprechen als andere. Hierdurch legen wir uns fest auf bestimmte Rollen. Vor allem präsentieren wir in den jeweiligen Teilbereichen unseren Mitmenschen eine ganz bestimmte Rolle und wollen auf eine bestimmte Weise gesehen werden. Dieser Spiegel, den wir durch unsere Mitmenschen für uns erschaffen und der uns Rückmeldungen gibt über eine bestimmte Rolle („Du bist so und so…“), wird uns jedoch zum Verhängnis, wenn wir an der eingeübten Rolle, an dem Bild, das wir präsentiert und gefestigt haben, etwas ändern wollen. Weichen die neuen Eigenschaften, die wir im selben Zusammenhang präsentieren möchten arg von den vorherigen ab, so ist es wahrscheinlich, daß wir uns aus diesemGegenüber-Miniatur_SNIP_515584_wjule speziellen Zusammenhang fortbewegen: Wir treten aus einem Verein aus, kündigen ggf. die Arbeit, trennen uns von einem Partner. Das gleicht ein wenig einem Knalleffekt, wenn unsere neue Vorstellung von einer Rolle in einem größeren Maße abweicht von der alten; wenn die neue Person, die wir sein möchten, in die ursprüngliche Präsentation nicht integriert werden kann, in das gewohnte Bild, das unser Umfeld von uns hat. Wollen wir den jeweiligen Zusammenhang jedoch beibehalten, so können wir ebenfalls Brücken bauen für die Vorstellungswelt des Umfeldes, indem wir eben nicht komplett in das neue Kostüm schlüpfen, sondern die anderen – meine Spiegel – langsam mit neuen Aspekten oder Ausdrucksformen vertraut machen.

Das ist interessant, denn indem ich mein Umfeld beispielsweise an neue Verhaltensweisen oder Ansichten – oder was immer es ist, was ich ändern möchte – gewöhne, muß ich es ihnen teilweise auch erklären; und bei diesem Vorgang festigt sich auch meine eigene neue Rolle vor mir selbst. Denn ich werde stichhaltige Argumente finden müssen oder merke sofort an den Reaktionen meiner Gegenüber, ob ich selbst in der neuen Rolle schon gefestigt bin oder doch vielleicht noch schwanke. Zwar ärgern wir uns, wenn wir von anderen nicht sofort die erwünschte Anerkennung erhalten, aber im Kern zeigt es uns, daß wir das Neue noch nicht in uns selbst gefestigt haben. Wir haben dann das Gefühl, als müßten wir uns „verteidigen“, geraten unserem Umfeld gegenüber in die Defensive, verfallen wieder in diejenige Rolle oder Verhaltensweisen, die wir eigentlich ändern wollten. Solange ich mich in einer solch „unsicheren“ Position befinde, weiß ich, daß meine neue Rolle, mein neues Bild von mir, innerlich noch nicht gefestigt ist. Ich kann tatsächlich mein „störrisches“ Umfeld dazu verwenden, die neue Rolle auch bei mir selbst zu integrieren; denn mein Umfeld ist stets ein exakter Spiegel meiner eigenen Ansichten über mich selbst, meiner Welt und meiner Weltsicht. Mein Umfeld spiegelt mir stets exakt meine eigenen Gedanken – inklusive aller Zweifel, die ich bezogen auf bestimmte Gebiete haben mag.

(Spax  5.12.17)

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Fußnoten

  1. Seiten = Morgenseiten. Gemeint ist das Schreiben der Morgenseiten.