Morgenseiten
Diese Übung habe ich vor Jahren in folgendem Buch gefunden: Mark Bryan, Julia Cameron, Catherine Allen: Der Weg des Künstlers im Beruf: Das 12-Wochen-Programm zur Steigerung der Kreativität, Knaur 2003 [1998].
Im wesentlichen geht es bei dieser Übung darum, „den geistigen Mülleimer auszuleeren“. Durch das Schreiben der Morgenseiten strukturiert sich scheinbar mühelos mein Tag; meine Gedanken werden klarer; und ich habe offenbar mehr Energie zur Verfügung. Mit der Zeit erhält man durch das Schreiben der Morgenseiten auch einen besseren Kontakt zum Higher Self.
Die Übung
Leider muß man, um die Morgenseiten zu schreiben, entsprechend früher aufstehen, denn es ist wichtig, sie möglichst zeitnah nach dem Aufstehen zu schreiben.1 Dann setzt man sich ggf. noch vor dem Frühstück hin und beschreibt mit der Hand drei A4-Seiten (nicht Blätter). Wichtig hierbei ist, daß man weder nachdenkt beim Schreiben noch den Stift aus der Hand legt. Der Stift bewegt sich ununterbrochen, bis die drei Seiten vollgeschrieben sind; dann hört man auf.
Es geht nicht darum, Dinge zu Papier zu bringen, die in irgendeiner Form interessant oder erzählenswert wären, sondern man schreibt exakt das hin, was gerade an Gedanke durchs Hirn spaziert. (Denke ich zum Beispiel „Oh, wie schön die Vögel heute singen“, dann schreibe ich diesen Gedanken nieder; oder „Gott, was nervt der Nachbar mit seiner grausligen Musik wieder“ usw.)
Sinn und Zweck
(1) Indem ich zu Papier bringe, was an – so häufig irrelevanten – Gedanken durch meinen Kopf geht, erkenne ich meine Gedankenstrukturen besser. Da die meisten Gedanken, die wir haben, unbewußter Natur sind, aber zeitgleich die Eigenschaft haben, daß sie wie ein Magnet Gedanken gleicher Schwingung anziehen, neigen wir doch sehr dazu, uns permanent selbst mit denselben Gedanken und sehr häufig Sorgen zu füttern, ohne daß wir dies bemerken würden. Die Morgenseiten brechen diese Struktur auf.
(2) Die Morgenseiten strukturieren mir meinen Tag besser und verleihen mir mehr Energie, weil ich durch das Aufschreiben all meiner unbewußten Gedankengänge mir einen Großteil dieser Gedanken bewußt gemacht habe. Hierdurch können sie den starken Einfluß, den sie sonst im Hintergrund führen, nicht mehr ausüben. Einen Teil meines „Gedankenmülls“ habe ich hiermit also entsorgt und es entsteht Platz und Energie für Neues.
(3) Julia Cameron betont, daß es wichtig sei, die Seiten mit der Hand zu schreiben. Warum? Durch das Schreiben mit der Hand wird mein Denken verlangsamt, da sich die Gedanken dem Schreibfluß anpassen. Dadurch, daß die Gedanken verlangsamt sind, kann ich sie auch besser wahrnehmen und automatisch strukturieren sie sich hierdurch auf andere Weise als wenn ich z.B. am Computer schreibe. Vielleicht gibt es auch Menschen, die am Computer denselben Erfolg haben – probiere es einfach aus und schau, ob du bei einer Methode bessere Ergebnisse erzielst. Es soll ja nicht sklavisch sein, sondern Freude bereiten.
(4) Nach vielen Wochen/Monaten (Jahren?) habe ich festgestellt, daß sich irgendwann all die „Müllgedanken“ mehr und mehr verflüchtigt haben. Vielleicht konnte ich sie einfach nicht mehr hören irgendwann… ;-)) Das ist der Punkt, an dem die Morgenseiten mehr und mehr zu etwas anderem werden, denn nun zeigen sich hinter all den „Müllgedanken“ tiefere Schichten. Ich habe immer den Eindruck, daß ich zum Beispiel manchmal noch direkt mit meinen Erlebnissen aus dem Traumzustand kurz vorm Erwachen verbunden bin. Durch das Schreiben sickern nun Erkenntnisse und Informationen aus diesen Bewußtseinsbereichen hindurch. Es ist nicht so, daß irgendwann sich ein Schalter umlegt, sondern dieser Effekt ist auch am Anfang bereits vorhanden, jedoch nicht so zentral, es ist ein fließender Prozeß und Übergang.
Dies ist für mich der schönste Aspekt an den Morgenseiten. Meine Blogbeiträge sind fast sämtlichst Auszüge aus meinen Morgenseiten. Und mittlerweile höre ich nicht zwangsläufig mit der dritten Seite auf, sondern schreibe einfach solange weiter, bis ich das Gefühl habe: „die Informationsblase ist nun leergefischt“.
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