Der Assemblage-Point (AP)

28. März 2017 at 04:04

Fokus-Stadt_graphics-931463_SNIP_uroburosCastaneda-Text1

A long way to die… Castaneda brauchte für seinen symbolischen Tod nicht auch eine Erfahrung des physischen Todes. Obwohl, ich kann bei ihm nicht den Finger draufhalten, an welchem Punkt er sein Aufwach-Erlebnis hatte: als er „die Welt anhielt“, wie die Zauberer es nannten und dabei den „Spirit-Coyoten“ traf? Sicherlich natürlich durch seinen Sprung in den Abgrund; doch das war ja erst, als Don Juan und die anderen Zauberer von dessen Gruppe transformierten. Don Juan erwähnt aber vorher schon, daß Castaneda „gestorben“ sei. Ich glaube, er definiert das „Sterben ohne tot zu sein“ oder „Zauberer-sein“ damit, daß der Assemblage-Point (AP)2 sich bewegt oder bewegt hat. Aber wäre denn so gesehen nicht fast jeder ein Zauberer? Denn bestimmt hat sich doch bei jedem mal der AP bewegt.

The movement of the assemblage point: Es stimmt, wenn man sich mit irgendeinem Erlebnis wieder verbindet emotional, so können wir alle zugehörigen Gedanken und Gefühle wiedererleben, – exakt genauso, wie sie gewesen waren beim ursprünglichen Erleben. Das ist, was Don Juan meint, wenn er sagt Erfahrungen würden im Assemblage Point (AP) gespeichert. So ist es möglich, sich an Erlebnisse auf eine Weise zu erinnern als hätten sie eben erst stattgefunden.

Ich würde diesen Prozeß jedoch anders beschreiben, weil für mich die ganze Sache mit dem Assemblage Point lediglich eine Art „technische Erklärung“ ist für den Effekt dieser Art von Erinnerung. Denn die eigentliche „lebendige“ oder Eins-zu-Eins-Erinnerung erfolgt über die emotionale Verbindung mit einem Ereignis. Wenn z.B. irgendeine Szene in meiner Vorstellung auftaucht, habe ich die Möglichkeit, diesen Erinnerungsfetzen dahingehend zu nutzen, mich in die Szene hineinzufühlen. Indem ich spüre, wie sich mein Körper angefühlt hat in den bestimmten Klamotten, indem ich mich an die Atmosphäre einer Szene erinnere, die zugehörigen Geräusche und Gerüche wahrnehme, werde ich mehr und mehr hineingezogen in die Erinnungs-Szene und weitere Details werden mir auffallen. Über diesen Einfühlungs-Prozeß tauchen vor allem auch die Gedanken wieder auf, die man damals hatte, gemeinsam mit dem allgemeinen Lebensgefühl. Während dieser Art des Sich-Vorantastens in einer solchen Erinnerungs-Szene, die nach und nach mehr und mehr Details liefert, bewegt sich entsprechend unser Assemblage Point, bis er irgendwann exakt mit der Position des damaligen Erlebens übereinstimmt. Es ist, als würde ich beispielsweise beim Spazierengehen einen Hauch von Gegrilltem erhaschen und folge dann dieser Spur, bis ich den zugehörigen Grill als verursachende Quelle finde, indem ich mich von der Peripherie eines Radiusses weiter nach innen zum Zentrum der Ursache herantaste. Genau so funktioniert diese Art der Erinnerung.

Maske-Natur_SNIP-1351601_yarrowEs funktioniert sogar, wenn ich mich überhaupt nicht mehr an irgendetwas erinnern kann und mir stattdessen die Frage stelle: Wie war denn das damals? Wie habe ich mich gefühlt? Oder: Hatte ich schonmal ein Erlebnis bezogen auf z.B. ein Thema, das mich gerade beschäftigt? Denn durch solche Fragen verbinde ich mich ebenfalls mit meinem „inneren Wissen“, mit meinem Higher Self. Dieser Fokus, dessen Ausgangspunkt irgendeine Frage ist, triggert das Higher Self an, mir eine brauchbare Antwort zu liefern. Die Antwort kommt z.B. in Form eines zunächst vagen Gedankens, der vielleicht zu einer Szene oder Situation führt, in deren Zusammenhang meine Antwort zu finden ist.

Wir alle können das tun, ohne daß wir überhaupt eine Ahnung haben von irgendeinem Assemblage Point. Der AP ist nur die Beschreibung einer Energiekonfiguration, die sich aus diesem Prozeß ergibt – genauso vage wie unser Denkprozeß, den wir zwar auch erleben und kompliziert beschreiben mit Vorgängen in unserem Körper, aber all diese physischen Vorgänge sagen nicht das geringste darüber aus, was Denken eigentlich ist: ein Fokussieren meiner Wahrnehmung.

Natürlich hat Don Juan recht, wenn er sagt, wir bräuchten eine Emphasis auf innere Prozesse und Zusammenhänge. Aber die rein technischen Beschreibungen finde ich hier eher irreführend, denn sie erklären nichts über das Empfinden – den Kern allen unseren Erlebens, unserer Erfahrungen, die wir machen. Die Beschreibung mit dem AP ist genauso, als würde ich sagen: „Du mußt an deinen Nervenenden einen Impuls setzen, damit dieser zum Hirn wandert und deine Empfindung produziert“. Niemand könnte so etwas willentlich tun, denn es handelt sich hierbei um einen eingebauten Mechanismus unserer Funktionalität, unserer Möglichkeiten, die Welt, in der wir uns befinden, wahrzunehmen.

(Spax  28.3.17)

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Fußnoten

  1. Dies ist ein Beitrag, der sich auf die Schriften Castanedas bezieht. Möglicherweise ist der Beitrag daher nur verständlich, wenn man mit dessen Schriften vertraut ist (siehe Bücher); denn die spirituellen Lehren dieser Zauberer folgen einer ganz eigenen Herangehensweise, wobei sie sich entsprechend einer eigenen Terminologie bedienen. Da die Lehren sehr komplex sind, ist es mir an dieser Stelle leider nicht möglich, diesbezüglich in Kürze sämtliche Hintergründe und Zusammenhänge aufzuzeigen.
    Don Juan war der spirituelle Lehrer von Castaneda. Die Gruppe der Seher um Don Juan bezeichneten sich häufig als „Krieger“ oder „Zauberer“.
  2. Assemblagepoint (AP): Dies ist ein Ausdruck, der von den Zauberern um Don Juan benutzt wurde. Es wird hiermit ein Energie-Punkt bezeichnet, in welchem unsere Wahrnehmung fokussiert ist. Hierdurch nehmen wir die Welt auf die Weise wahr, wie wir es im Alltagsbewußtsein tun.