Beltracchi 2: Kunst-Sinn

28. September 2015 at 04:01

Kunst_Vincent-van-gogh_pixa_Größe SNIPWas ich nicht versteh:1 Da war ein Sammler-Ehepaar, die hatten die Rote Kuh (eine Campendonk-Fälschung von Beltracchi) im Besitz. Die Frau hat das Bild wirklich geliebt, so wie ich das Bild auch besonders toll finde. Dieses Bild flog wohl ebenfalls auf und wurde beschlagnahmt, die Sammler wurden entschädigt, aber gern hätte die Frau es trotzdem behalten. Nur, hat sie gesagt, hätte sie es dann ins Ankleidezimmer gehängt, oder sonstwo unauffällig, weil ja nun das Bild keinen Wert mehr besäße – wie ein „billiges Andenken“ von irgendeinem Touristenshop, aber keine wahrhafte Kunst mehr.

Und das ist etwas, was ich überhaupt nicht kapiere: Wieso soll das Bild einen anderen Wert haben, bloß weil es ein anderer gemalt hat?? Es ist und bleibt doch dasselbe Bild! Gefällt es mir nun oder nicht? Das verstehe ich überhaupt nicht. Nur weil der Nachbar ein Ding/Bild von XY gekauft hat, muß ich auch dasselbe haben. Irgendjemand in irgendeiner Clique fängt damit an, und schon ist es hip, steigt im Wert, und jeder will dasselbe haben.

Wie ist es denn eigentlich mit all diesen „Brücke“- und „Reiter“-Künstlern: Waren sie zu Lebezeiten schon bekannt und konnten leben von ihrer Kunst oder wurden die meisten – wie so häufig – erst nach ihrem Tod „geadelt“? Warum überhaupt ist das so? Weil man sich zu Lebzeiten mit diesen „schwierigen Künstlertypen“ auseinandersetzen muß? Aber was macht hier dann den Unterschied zum Werk? Wer bestimmt letztlich, welcher Künstler etwas „taugt“ und plötzlich unbezahlbar wird? Wie kommt das zustande? Beim Beltracchi wird es genauso sein: Ich bin sicher, sobald er unter der Erde liegt, wird der Kunstmarkt sich um ihn reißen und die Preise für seine Bilder werden ins Unermeßliche steigen. Denn wer will nicht einen kleinen Anteil an dieser Jahrhundertstory in Form eines Bildes haben?

Beltracchi malt seine eigenen Bilder so, daß man die Unterschrift fälschen könnte, also nicht „naß in naß“, so kann man sie gut abradieren – und vielleicht doch wieder „Max Ernst“ oder was auch immer draufschreiben. Ich denke mir, daß später die Beltracchi-Fälschungen vielleicht sogar noch mehr einbringen werden. Aber bis dahin ist noch viel Zeit und vielleicht leben wir dann sowieso in einer Welt mit sich verändernden Werten, wo der Wert eines Dinges nicht mehr durch den Reibach bestimmt wird, den man damit machen kann oder könnte.

(Spax 28.9.15)

Download PDF

Fußnoten

  1. Meine Ausführungen beziehen sich auf Wolfgang Beltracchi, der als der bisweilen größte Kunstfälscher des 20. und 21. Jahrhunderts gilt; 2010 wurden er und seine Frau Helene überführt.