Beltracchi 1: Selbstporträt

27. September 2015 at 03:39

Kunst_WIKI_Kubismus-1_SNIPJetzt habe ich gestern den Beltracchi fertiggelesen.1 Was für eine Geschichte! Und es ist wahr: man wird in diesem Land noch zusätzlich zum Verbrecher gemacht. Das LKA hat nach einem ganzen Ring von Kunstfälschern gefahndet. Mich fasziniert dieser Lebensentwurf, diese Geschichte. Auch Wolfgang Beltracchi liebt Geschichten. Er hat sich direkt in ihnen wiedergefunden, sich als Teil von ihnen eingeordnet. Phantastisch. Vierzehn Monate U-Haft, es wär nicht nötig gewesen. Seine Farben hat er vergraben, weil er sie nicht fortwerfen konnte. Und was ist aus dem schönen Anwesen in Südfrankreich geworden? Konnten die Beltracchis es behalten? Jetzt machen sie Geld mit Büchern, Interviews, Film.

Ich weiß zu wenig über Maler und Bilder, um sagen zu können, wie „echt“ ein Beltracchi neben den jeweiligen Originalen wirkt. Aber wenn man den Roten Mäher von Heinrich Campendonk sieht, mit dieser Tiefe des Ausdrucks im Gesicht und den warmen Farben, die eine Kompaktheit und dennoch auch eine Leichtigkeit suggerieren, wirkt der Blaue Mäher von Beltracchi dagegen ausgesprochen grell und spitzig. Auch in sich ein gutes und stimmiges Gemälde mit Ausdruck, aber vom Wesen her eben doch sehr anders als der Rote Mäher, das Original. Vielleicht war das beabsichtigt, ich weiß es nicht.

Sehr interessant auch die Geschichte mit dem Blauen Mäher: Der Blaue Mäher schien verschollen und es gab in keinem Katalog eine Abbildung von ihm. Aber er war erwähnt und im Werkverzeichnis. Also wollte Wolfgang Beltracchi ihn malen und auf einer Auktion einreichen. Er hat ihn auch gemalt. Doch als er ihn dann einreichen wollte, war im Katalog ebendieser Blaue Mäher angekündigt – mit einer wohl auch recht fadenscheinigen „Provenienz“.2

Schwieriger als „falsche“ Bilder zu malen ist wohl, eine Herkunft, den Werdegang eines Bildes glaubwürdig zu gestalten. Doch der Kunstmarkt ist eben gierig: Wie überall woanders auch, wartet man auf Sensationen und neue Bilder. Daß er die „Sammlung Jägers“ erfunden hat, war vielleicht letztlich der Stolperstein: Denn solch eine bedeutende Sammlung wäre doch bekannt gewesen, oder? Und wer eine Sammlung hat, ist doch stolz auf sie, zeigt sie mal her, oder? Das war ein großes Risiko. Vielleicht waren es zum Schluß einfach zu viele neue Bilder geworden – oder zu viele gleichhoher Qualität – noch ein unbekanntes Werk von X, von Y, von Z.

Beltracchi hätte sich begnügen können mit ein paar Millionen; aber wenn man ein bestimmtes Geld hat, fängt man wohl an, in anderen Dimensionen zu denken. Aber weshalb muß es ein Jaguar sein und dieser Riesencamper? Vielleicht ein Automatismus – wenn man es kann, warum denn nicht -?

(Spax 27.9.15)

Download PDF

Fußnoten

  1. Helene und Wolfgang Beltracchi: Selbstporträt, Rowohlt 2014.
    Autobiografie von Wolfgang Beltracchi, der bisweilen als der größte Kunstfälscher des 20. und 21. Jahrhunderts gilt; 2010 wurden er und seine Frau Helene überführt.
  2. „Provenienz“ (lat. provenire „herkommen“): Herkunft oder Werdegang eines Bildes.